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Sängerkrieg
oder: höfische Kultur in höchster Vollendung

Auf Burgen wohnte man im Allgemeinen nicht sehr behaglich. Die Ludowinger aber lassen es sich gut gehen: die Wartburg hat sogar eine Fußbodenheizung. Ihre Reste finden sich unter dem Boden und vor der Nordwand.

Auch im nächsten Saal herrscht unerhörter Luxus: schon damals hat wohl jeder Raum der Burg einen Kamin, einige sogar Glas vor den Fenstern! Hier, in der Mitte des Gebäudes, trifft man sich wohl zum gemeinsamen Essen - die Männer kommen von links aus dem Rittersaal, die Frauen von rechts aus der Kemenate. Die Balken, die die Decke tragen, stammen noch aus der Bauzeit. Man hat sie dendrochronologisch untersucht: die Eichen wurden im Jahre 1162 gefällt und frisch eingebaut.

Aber die Wartburg ist nicht nur eine Hochburg der Wohnkultur. Vom Speisesaal führt die einzige aus dem Mittelalter erhaltene Treppe hinauf zum Sängersaal. Bevor der Palas um 1170 aufgestockt wurde, war er das Repräsentations-Zentrum der Burg. Das Gewölbe über der alten Treppe bildet ein erhöhtes Podium. Und hier, davon ist Hugo von Ritgen überzeugt, hier muss sich die berühmteste Sage der Wartburg abgespielt haben.

Um das Jahr 1200 steht die höfische Kunst in höchster Blüte - und unter Landgraf Hermann gilt der Thüringer Hof als der kultivierteste des ganzen Reiches.

"Zu dessen Zeiten blühte in deutschen Landen der Minnesang und ward geübt und geliebt von Fürsten und Edeln, und Fürst Hermann versammelte viele Sänger zu seinem glänzenden Hofhalt auf der Wartburg."

So erzählt Ludwig Bechstein vom großen Sängerkrieg. Die sechs größten Stars des Mittelalters haben sich versammelt, darunter Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und Meister Biterolf. In ihren Liedern preisen sie den kunstsinnigen Landgrafen. Mit einer Ausnahme: Heinrich von Ofterdingen. Der ist aus Österreich gekommen und rühmt nicht Hermann, sondern seinen Herzog Leopold. Damit handelt er sich Ärger ein. Es kommt zum Streit, schließlich fordern alle Anwesenden Heinrichs Kopf. Schon wartet der Henker mit der Schlinge - da wirft sich Heinrich vor der Landgräfin zu Boden und fleht um Gnade. Sie gewährt ihm Aufschub: der Wettkampf soll wiederholt werden.

Im Jahr darauf bringt Heinrich von Ofterdingen einen Schiedsrichter mit: der große Zauberer Klingsor aus Ungarn schwebt auf einer Wolke herein. Er ist selbst Minnesänger und schlichtet den Streit - man einigt sich gütlich auf Unentschieden. Dazu trägt auch eine Weissagung Klingsors bei: am Tag des zweiten Sängerkriegs, dem 7. Juli 1207, soll dem König von Ungarn eine Tochter geboren werden - und sie wird die neue Landgräfin werden. Eine Königstochter in Thüringen! Begeisterung brandet durch die Burg.

Tatsächlich war Landgraf Hermann, Enkel des ersten Ludwig, ein hoch gerühmter Mäzen. Der bedeutendste deutsche Lyriker des Mittelalters, Walther von der Vogelweide, war Gast an seinem Hof. Und Wolfram von Eschenbach hat hier wahrscheinlich sogar längere Zeit gelebt - sein "Parzival" ist bis heute eine der größten Dichtungen deutscher Sprache.